Martin Fischer
Softwareentwicklung

Klonblog on Tour: BMW Motorrad Days in Garmisch

Vorstellung der R 1250 R/RS, der F 750 GS und der F 850 GS

von Dipl.-Inform. Martin Fischer am 10.07.2019

Die im letzten Artikel angekündigt Modelloffensive von BMW läuft auf Hochtouren. Diesmal durften wir gleich vier neue BMW-Motorräder testen. Die Einladung zur Testfahrt nach Garmisch-Partenkirchen wurde mit einer Einladung zu den BMW Motorrad Days garniert. Eine Veranstaltung, die ich noch nicht kannte, obwohl ich BMW-Fahrer bin. Ein echtes Defizit, wie sich schnell herausstellte.

Mit dem Flieger ging es nach München, und von dort mit dem neuen BMW X5 weiter nach Garmisch. Schon bei der Anfahrt über die A95 fielen mir die ungewöhnlich vielen Motorräder auf. Als wir in Garmisch ankamen, wurde mir das Ausmaß dieser Veranstaltung langsam bewusst. Ganz Garmisch war mit Motorrädern bevölkert, davon ungefähr 90 Prozent BMWs , und davon bestimmt 80 Prozent aus der GS-Fraktion. Sehr beeindruckend. Die Motorrad Days gibt es schon seit 2001, bis zu 40.000 Besucher kommen über drei Tage verteilt hierher. Also kurz ins Hotel und weiter zum eigentlichen Schauplatz, dem Eventgelände unterhalb des Hausbergs direkt an der Seilbahnstation. Das Areal bot auf mehreren tausend Quadratmetern alles, was das Bikerherz begehrt. Es gab eine Offroad-Teststrecke, eine Event-Area für Stuntshows, jede Menge Partyzelte mit Live-Musik sowie verschiedene Hersteller für BMW-Zubehör. Es gab sogar schon die komplette Carbon-Verkleidung für die neue S 1000 RR, die wir kürzlich in Portugal testen konnten und die seit gerade mal einem Monat im Laden steht.

Im BMW-Heritage-Zelt stand ein ganz besonders Motorrad, die R18. Ein echter Chopper mit einem 1,8-Liter-Boxer-Motor. Die Maschine soll im nächsten Jahr auf den Markt kommen. BMW erschließt sich damit mal wieder ein völlig neues Markt-Segment. Ich bin gespannt ob das gelingt.

Ein weiteres Highlight war der Vortrag von Michael Martin, ein Fotograf und Abendteurer. Er ist als Jugendlicher mit einem Mofa nach Afrika gefahren, später dann mit einem alten Schrott-Peugeot ohne TÜV durch die Sahara, um schlussendlich der bekannteste GS-Fahrer zu werden. Ich habe mir tatsächlich die ganzen anderthalb Stunden reingezogen. Ein echt cooler Typ.

Und wem das Programm nicht reichte, der konnte natürlich Motorrad fahren. Es gab quasi alle aktuellen BMW-Modelle zum Ausprobieren, es wurden geführte Fahrten angeboten und selbst ohne Motorrad-Führerschein konnte man eine Proberunde auf einem abgesperrten Gelände machen. Mehr Motorrad geht nicht!

Nach zwei Tagen Oktoberfest-Stimmung ging es dann endlich auf die Piste. Zum Testen traten die Schwester-Modelle R 1250 R und R 1250 RS sowie die kleinen GS-Modelle F 750 GS und F 850 GS an. Klingt nach viel Arbeit, aber halb so wild, diese wurde uns durch eine sehr schöne Test-Strecke versüßt. Von Garmisch sollte es durch das Ötztal gehen, über das Timmels-Joch bis in die Nähe von Bozen in Südtirol. Von dort wieder zurück über die Großglockner-Hochalpenstraße bis nach München.

Die neue BMW R 1250 R, R 1250 RS und R 1250 GS Adventure – Faszination Roadster, Sporttouring und Abenteuer in optimierter Form und neuer Antriebsdimension.

Der erste Proband war die R 1250 R. Eine fast nackte Maschine im Streetfighter-Look mit statten 1.254 ccm Hubraum. Das ist noch mal ein großer Joghurt-Becher mehr als die Doppel-R hat, wobei hier ein völlig anderes Motoren-Konzept zum Einsatz kommt – der Boxer! Diese Bauart kennen wir schon aus den Porsche-Modellen 911 und 718. Die zwei dicken Zylinder drängen nicht nur optisch in den Vordergrund, sondern bestimmen das ganze Handling des Motorrads. Schon im Stand merkt man, wie die Masse von links nach rechts schaukelt. Mit einem leichten Gasstoß stellt sich jedoch sofort Ruhe ein. Im Gegensatz zu mir, ich wurde langsam unruhig. Der Wetterbericht sagte uns Dauerregen voraus, und ich hatte ein neues Motorrad mit satten 143 NM Drehmoment unterm Hintern. Das sind circa 30 NM mehr als eine normale Tausender hat, also sehr viel! Mit entsprechender Ehrfurcht startete ich meine Tour auf der noch klitschnassen Straße. Wobei, wirklich Angst brauchte ich nicht zu haben, die R 1250 R verfügt natürlich über eine Traktionskontrolle und einen Rain-Modus. Nach wenigen Metern hatte ich mich mit der Geometrie der R arrangiert, der breite Lenker und der extrem tiefe Schwerpunkt ließen die 239 kg Masse schnell verschwinden. Der superweiche Lauf des Boxermotors unterstrich zusätzlich das Gefühl von Leichtigkeit. BMW hat hierfür extra eine Ausgleichswelle um die Kurbelwelle gebaut, die mit gleicher Drehzahl entgegenläuft und so störende Vibrationen eliminiert. Außerdem verfügt der Motor über die aus der Doppler-R bekannte Shift-Cam-Technologie.

Nach wenigen Kilometern musste ich jedoch schon wieder runter von der R 1250 R, wir hatten ja schließlich noch weitere Motorräder zu testen. Die Umstellung auf die R 1250 RS war jedoch nicht der Rede wert. Sie sieht zwar optisch völlig anders aus, aber die Basis ist die gleiche. RS steht übrigens nicht für Rennsport, auch wenn die RS mit Vollverkleidung etwas sportlicher wirkt, sondern für Road & Street. Mir fiel sofort der schmalere Lenker auf. Dadurch war das Fahrgefühl näher am Supersportler, was mir persönlich entgegenkam. Die Fahrbahn trocknete langsam ab, und ich traute mich, spontan den Rain-Modus zu deaktivieren und in den Dynamik-Modus zu wechseln. Die 1250er Modelle verfügen je nach Ausstattung über bis zu vier Fahrmodi (Rain, Road, Dynamik, Dynamik Pro). So ging es dann Richtung Timmelsjoch, durch das Ötztal, vorbei an Sölden nach Obergurgl.

An der Mautstation zum Timmeljoch in 2.175 Metern Höhe gab es dann noch eine ganz besondere Überraschung: das höchste Motorrad-Museum Österreichs, vielleicht sogar von ganz Europa, das wusste nicht mal der Erbauer Attila Schreiber so genau. Der schien mindestens genauso motorradverrückt zu sein wie ich, nur mit mehr Startkapital ausgestattet. Zusammen mit seinem Zwillingsbruder haben sie über die Jahre 90 Motorräder in ihrer Scheune gesammelt. Als der Neubau der Seilbahnstation in Obergurgl anstand, zwackten sie kurzerhand 3.000 m² ab und bauten das Museum direkt in die Talstation. Zurzeit stehen dort circa 300 Motorräder aus aller Welt, natürlich auch jede Menge BMW-Motorräder und eine Sonderausstellung über die Britische Marke Brough. Besonderes Highlight – die BROUGH SUPERIOR SS100 MK2 ANNIVERSARY, die zum 100-jährigen Jubiläum gebaut wurde. Den Basispreis von 100.000 Euro sieht man dem Moped definitiv an.

Nach einer ausgiebigen Mittagspause im Museum ging es dann endlich über den ersten Pass. Die Timmelsjoch Hochalpenstraße wurde nachweislich schon 300 Jahre v. Chr. begangen. Vermutlich hat es damals aber nicht ganz so viel Spaß gemacht wie heute. Für mich sind Pässe die schönste Art, Motorrad zufahren. Die Aussicht, das Panorama und die abwechslungsreichen, kurvigen Routen sind durch keine Rennstrecke zu toppen. Wobei nicht jedes Motorrad dafür gleich gut geeignet ist. Mit einem tausender Supersport-Motorrad wie der S 1000 RR, mit der ich sonst unterwegs bin, sind die engen Spitzkehren immer wieder eine Herausforderung. So kommt es des Öfteren vor, dass man von vermeintlich schwächeren Motorrädern wie einer GS überholt wird. Entsprechend gespannt war ich, wie sich die Boxer bei dieser Disziplin anstellen, oder vielmehr, wie ich damit klarkomme. Ich saß wieder auf der R, die mit ihrem extra breiten Lenker besonders gut dafür geeignet schien. Entsprechend forsch ging ich die Kurven und war erstaunt, wie leichtfüßig der Boxer aus den Ecken herauszog. Mit einer Tausender muss man mit schleifender Kupplung im ersten Gang um die Kehren zirkeln, ohne nach innen zu kippen. Ich merkte relativ schnell, dass man mit dem Boxer einen ganz anderen Fahrstil entwickelt, man musste sich nur darauf einlassen und den Stil des Boxers adaptieren. Anfangs drehte ich noch jeden Gang bis zum Begrenzer, denn die 9.000 Umdrehungen waren schneller erreicht, als ich dachte. Dabei reichen 5.000 bis 6.000 Umdrehungen völlig aus, dabei fühlt der Boxer sich wohl und gibt die Ruhe und Zufriedenheit an den Fahrer weiter.

Bei verschieden Fotostopps am Berg bemerkte ich noch eine besondere Funktion, die ich bis dato nur von Autos kannte: eine elektronische Fußbremse. Hält man am Berg an, hält das Motorrad von alleine die Position. Wenn man genügend Gas gibt, geht’s weiter. BMW nennt das System Hill Start Control (HSC), und es ist bei beiden Modellen serienmäßig vorhanden. Aber BMW wäre nicht BMW, wenn es nicht auch noch einen HSC Pro geben würde. Dabei kann man das Gefälle konfigurieren, und das System arbeitet voll automatisch. Als ich versuchte, an einem steilen Gefälle mit dem Motorrad zu rangieren, war ich etwas überrascht, als es sich plötzlich selbstständig machte. Nach einigen Versuchen klappte das aber schon recht gut. Für Einsteiger ist es sicher eine gute Sache.
Am zweiten Testtag sollte es über die Großglockner-Hochalpenstraße zurück nach München gehen. Das sind satte 400 Kilometer. An diesem Tag standen die beiden anderen Probanden auf dem Programm, die BMW F 750 GS und die F 850 GS. Die beiden Modelle unterscheiden sich nicht durch den Hubraum, wie man denken könnte. Dieser beträgt bei beiden 853 ccm. Die F 850 GS hat aber 18 PS mehr und ein höheres Fahrwerk. Im Gegensatz zur R 1250 R/RS stehen die beiden Zylinder bei der kleinen GS in Reihe. Gepaart mit mehr Bodenfreiheit hat die GS dadurch einen deutlich höheren Schwerpunkt. Wobei vor allem die F 750 GS durch ihre relativ tiefe Sitzbank auffällt und sich für Frauen oder Fahranfänger anbietet. Mit den 77 PS der 750er kann man auf der Landstraße gut im Verkehr mitschwimmen, nur beim Überholen sollte man etwas mehr Zeit einplanen.

Trotz der feucht-fröhlichen Wetterprognose ging es erstmal im Road-Modus auf trockener Straße bis nach Heiligenblut. Dort beginnt die Großglockner-Hochalpenstraße, die höchste befestigte Passstraße in Österreich. Die Passhöhe liegt auf 2.576 Metern. Auf den 47 Kilometern Länge verteilen sich satte 36 Spitzkehren.

Daher musste ich von der GS wieder auf die R 1250 R umsteigen. Hier konnte die R noch mal zeigen, ob sie ein echter Kurvenräuber ist. Der Projektleiter der R 1250, Harald Spagl alias Harry, gab mir noch den Tipp, die Spitzkehren im zweiten Gang zu fahren, um einen Gangwechsel zu sparen. Am Vortag hat das Runterschalten vom zweiten in den ersten Gang des Öfteren zu einem quer stehenden Hinterrad geführt. Und da die R 1250 recht kurz übersetzt ist, musste ich auf den Geraden wieder hochschalten. Was sich bei dem drehmomentstarken Boxer, trotz Schaltautomat Pro, immer mit einem deutlichen Ruck bemerkbar machte. Aber eine Spitzkehre im zweiten Gang!? Harry hatte natürlich recht, der Boxer drehte ganz entspannt aus dem Drehzahlkeller hoch und ich konnte so viel entspannter durch die Spitzkehren meißeln. Dass ich langsam am Schräglagen-Limit der R angekommen war, merkte ich daran, dass ich permanent mit den Füßen bzw. Fußrasten auf der Straße schleifte. Viel mehr als 43 Grad sind so nicht machbar.

Auf dem 6,5-Zoll-TFT-Display kann man, wie bei der Doppel-R, jede Menge Telemetriedaten ablesen, vorausgesetzt man hat das Dynamik-Paket mit an Bord.
Leider ließ uns die Wetterfee kurz vor der Passhöhe im Stich. Dichte Nebelschwaden hüllten den ganzen Gipfel ein, ich konnte gerade noch das Rücklicht des vorausfahrenden Mopeds erkennen, wenn es bremste. Glücklicherweise kannte ich die Passhöhe schon.

Die F 750 GS ist mit einem Basispreis von 9.450 Euro das günstigste der vorgestellten Modelle. Dafür bekommt ein komplett ausgestattetes Tourenmotorrad, was über alle technischen Helferlein verfüg, wie ABS, Automatische Stabilitätskontrolle ASC, Voll-LED-Scheinwerfer, eine Antihopping-Kupplung und ein 6,5 Zoll-TFT-Display als Tacho. Die F 850 GS schlägt dann schon mit 12.000 Euro zu Buche. Dafür bekommt an dann 18 PS mehr, mehr Bodenfreiheit und ein 21-Zoll-Vorderrad. Die Boxer gehen bei 13.850 Euro für die R und 14.500 Euro für die RS los. Meine Empfehlung wäre auf jeden Fall der HP Sportschalldämpfer von Akrapovič. Dieser macht deutlich mehr Sound, und das gehört für mich dazu!

Vielen Dank an BMW für diesen wirklich schönen und perfekt durchorganisierten Ausflug!