Martin Fischer
Softwareentwicklung

12.12.2022 Das Rad neu erfinden? „FelGAN“ inspiriert dank KI zu neuen Designs für Felgen


Künstliche Intelligenz (KI) in vielen Unternehmensbereichen nutzbar machen: Dieses Ziel hat sich Audi auf seinem Weg zum datengetriebenen Unternehmen gesetzt. Mit FelGAN nutzt das Unternehmen nun eine Software, die Designer_innen mittels künstlicher Intelligenz neue Inspirationsquellen eröffnet.

Kreative Menschen sind immer auf der Suche nach Inspirationen. Das gilt ebenso für die Designer_innen, die im Audi Design Studio in Ingolstadt neue Räder entwerfen. Doch wie gelangt man an völlig neue Impulse?

„Think outside the box“ (zu Deutsch: „außerhalb der Box, also festgesetzter Denkmuster denken“) ist dabei ein bekannter und eingängiger Leitsatz. Die Umsetzung ist allerdings weniger einfach, da der Mensch im Denk- sowie im Kreativprozess auf bereits Gelerntes und Gesehenes zurückgreift. Die KI-basierte Software FelGAN, eine Eigenentwicklung von Unternehmens-IT und dem Audi Design, setzt genau an diesem Punkt an. Das Projekt ermöglicht es den Kreativen, nun aus einem nahezu unbegrenzten Ideen-Fundus zu schöpfen. Im Zusammenspiel mit ihr entdecken Designer_innen Motive aus ganz neuen Perspektiven und erhalten Vorschläge, die sie in ihre Arbeit einfließen lassen und weiterentwickeln können. Konkret schlägt FelGAN entweder selbst eine große Anzahl fotorealistischer Designs in kurzer Zeit vor oder kombiniert gezielt vorhandene Designs neu miteinander.

Das System steht dem Team des Felgendesigns bei Audi also als eine Art unkonditionierter Ideen-Hub zur Seite, mit dem es neue Versionen und Varianten austauschen kann. Designer_innen können in dem Tool einfach und in Echtzeit mit Form, Farbe, Oberflächenstruktur und anderen Parametern experimentieren.

So lernte künstliche Intelligenz Räder zu entwerfen
Die Bezeichnung „FelGAN“ setzt sich aus den beiden Begriffen „Felge“ und „GAN“ zusammen, wobei Letzteres eine Abkürzung für „Generative Adversarial Networks“ (erzeugende gegnerische Netzwerke) ist. Diese stellen eine spezielle Form von selbstlernenden Computerprogrammen dar, bei denen zwei Algorithmen im sogenannten Training als Gegenspieler antreten und im Wettstreit miteinander immer besser werden.

Das Prinzip funktioniert so: Einer der beiden Algorithmen, der „Generator“, fertigt künstliche Bilder eines bestimmten Motivs an, im Falle von FelGAN also von einer Fahrzeugfelge. Dem sogenannten Diskriminator, der das Gegenstück bildet, wird eine Bildauswahl präsentiert. Diese besteht aus echten Räderfotos sowie den Bildern des Generators. Nun muss der Diskriminator jeweils entscheiden, ob es sich um ein Werk des Generators oder eine echte Aufnahme handelt. Dieser Vorgang wiederholt sich aufs Neue, bis das „Training“ abgeschlossen ist. Beide Algorithmen sind so gestaltet, dass sie dabei aus ihren Fehlern lernen und sich fortlaufend verbessern. Nach ausreichend vielen Durchläufen sind die Kreationen des Generators so täuschend echt, dass selbst das menschliche Auge sie nicht oder zumindest kaum von echten Fotos unterscheiden kann.

Die intuitive Benutzeroberfläche der Anwendung basiert auf der Streamlit-Technologie und ermöglicht kurze Entwicklungszyklen und schnelles Feedback zwischen dem Design- und dem IT-Team. Damit Designer_innen beim Einsatz der Softwarelösung nicht auf leistungsstarke lokale Hardware angewiesen sind, werden die Bestandteile der KI-Anwendung, die viel Rechenleistung benötigen, in der Cloud ausgeführt.

Zusammenarbeit von Mensch und KI
Ein weiterer Clou von FelGAN besteht darin, dass die Software jedem Design, das die KI anfertigt, einen mathematischen Wert zuordnet. Diesen bezeichnen die Entwickler_innen als „DNA“. Er kann jederzeit verwendet werden, um Designs zu reproduzieren. Doch damit nicht genug: Die Designer_innen können das Programm zudem mit eigenen Entwürfen und Fotos füttern und diese so zu einem Teil der virtuellen Experimentierfläche werden lassen. Die Basis sind spezielle Algorithmen, die zu eingelesenen Bildern passende „DNA“-Werte bestimmen.

Häufig arbeiten die Designer_innen später nur mit bestimmten Elementen der Kreationen von FelGAN weiter und verfeinern sie zu einem harmonischen Gesamtentwurf. Dabei spielen neben dem Handwerkszeug der kreative Blick und die Berufserfahrung die entscheidende Rolle. Danach wird ein Prototyp des Rades hergestellt. Dazu lassen die Fachleute bei Audi den virtuellen Entwurf mittels Hightech-Fräse, entweder aus Kunststoff oder Aluminium, Wirklichkeit werden.

Innovationen aus der Audi Welt
FelGAN wurde in Zusammenarbeit von der Unternehmens-IT und der Designabteilung von Audi vollständig im Haus entwickelt und umgesetzt. Damit stellt das Unternehmen seine Kompetenz im Software-Bereich sowie auf dem Feld der Zukunftstechnologie KI unter Beweis.

Thomas Knispel, Leiter Machine Learning & Data Science bei Audi: „Im heutigen Zeitalter bringen Daten einen enormen Mehrwert für Unternehmen und ihre Mitarbeitenden. Audi hat sich das Ziel gesetzt, eine Data Driven Company zu werden. Dazu setzen wir KI in vielen Bereichen ein. Unser Data-Team ist immer auf der Spur nach neuen Technologien.“

Zukünftig könnte die Technologie hinter FelGAN zu einer umfassenden KI-Designplattform ausgebaut werden, die auch Designer_innen aus anderen Bereichen bei Audi als Inspirationsquelle dienen könnte.

Darüber hinaus entsteht aktuell ein KI-Bewertungssystem, in dem jede von FelGAN generierte Felge eine Einschätzung in Bezug auf die CO2-Bilanz erhält. FelGAN ist damit für Audi ein Schritt auf dem Weg zum digitalen und datengetriebenen Unternehmen.