Martin Fischer
Softwareentwicklung

20.03.2024 Nachhaltig und flexibel: die Produktion der Audi Q6 e-tron Baureihe in Ingolstadt


Die Audi Q6 e-tron Baureihe ist die erste vollelektrische Volumenbaureihe, die Audi im Stammwerk Ingolstadt seit Ende 2023 produziert. Dabei setzt Audi gemäß der Produktionsstrategie 360factory im Karosseriebau und in der Montage auf eine Integration der einzelnen Produktionsschritte in bestehende Strukturen und Abläufe. Nach Brüssel (2018) und Győr (2020) ist Ingolstadt außerdem seit dem 1. Januar 2024 der dritte Audi Standort, der bilanziell CO2-neutral1 fertigt. Zudem wird der Stammsitz der Vier Ringe zum ersten deutschen Audi
Standort mit einer eigenen Batteriemontage.

Audi CEO Gernot Döllner betont die Bedeutung des ersten Modells auf der Premium Platform Electric (PPE). „Die PPE und damit die Q6 e-tron Baureihe ist die Basis für weitere elektrische Audi Modelle. Damit machen wir einen entscheidenden Schritt, um bis 2027 in allen Kernsegmenten ein E-Modell anbieten zu können.“ Audi Produktionsvorstand Gerd Walker ordnet den Produktionsstart als wichtigen Meilenstein für die Produktionsstrategie 360factory ein: „Bis Ende des Jahrzehnts machen wir sukzessive alle Audi Standorte fit für die Fertigung von E-Modellen. Wir nutzen die Elektrifizierung für eine umfangreiche Transformation unserer bestehenden Werke. Mit der Produktion der Q6 e-tron Baureihe geht das Werk Ingolstadt den nächsten Schritt hin zur 360factory.“ Für die Fertigung der Zukunft hat Audi eine klare Vision. Dabei verfolgt das Unternehmen einen ganzheitlichen, nachhaltigen Ansatz und modernisiert, digitalisiert und transformiert seine bestehenden Werke. Die Audi Q6 e-tron Baureihe wie auch alle weiteren Fahrzeuge am Standort werden seit 2024 bilanziell CO2-neutral gefertigt.1

Modernste Fertigungstechnologie in neuer Batteriemontage

Ein Beispiel, wie Audi die Produktion modernisiert und in bestehenden Strukturen erweitert, ist die neue Batteriemontage für die PPE-Modelle. Auf einer Fläche von rund 30.000 Quadratmetern montieren etwa 300 Mitarbeitende im Dreischichtbetrieb bei einer Automatisierungsrate von annähernd 90 Prozent täglich bis zu 1.000 Hochvoltbatterien – zunächst für die Q6 e-tron Baureihe. Die Vier Ringe sammeln damit zugleich wichtige Erfahrungen, die das Unternehmen perspektivisch in einer eigenen Fertigung von Batteriemodulen einsetzen will. Schon jetzt profitieren die Mitarbeitenden von Erfahrungen der Kolleg_innen aus der Fertigung des Q8 e-tron1 in Brüssel und der Expertise des Batterietechnikums in Gaimersheim. „Wir erhöhen damit nicht nur die Fertigungstiefe, sondern holen auch weitere Kompetenzen und Technologien direkt an den Standort“, sagt Produktionsvorstand Walker.

Die neue Anlage in einer eigens für die Batteriemontage vorbereiteten Halle im Güterverkehrszentrum (GVZ) in Ingolstadt wird ausschließlich mit Ökostrom betrieben. Zudem erreicht Audi so eine noch höhere Flexibilität und Effizienz in der Fertigung, ohne für Neubauten weitere Flächen zu versiegeln.

E-Motoren für PPE aus weltweit größtem Antriebswerk in Győr
Die E-Maschinen für die neue Technologieplattform Premium Platform Electric (PPE) bezieht Ingolstadt aus dem größten Motorenwerk der Welt im ungarischen Győr. Auf drei neu installierten Linien fertigt Audi Hungaria E-Motoren für die PPE, die das Transportunternehmen DB Cargo CO2-neutral nach Ingolstadt liefert. Am Standort Győr fertigt Audi bereits seit 2020 bilanziell CO2-neutral.1 „Nachhaltig in bestehenden Werken zu fertigen, ist Kern unserer Produktionsstrategie 360factory und damit ein grundlegendes Element auf dem Weg zu einem zukunftsfähigen Produktionsnetzwerk“, sagt Walker.

Retooling und flexibles Anlagenkonzept im Karosseriebau
Um die Q6 e-tron Baureihe nachhaltig und gleichzeitig effizient zu produzieren, hat Audi Produktionsbereiche wie den Karosseriebau für die PPE in bestehende Strukturen integriert. Auf einer Fläche von rund 148.000 Quadratmetern entstehen im Werk Ingolstadt die Karosserien für die PPE-Modelle. 328 Mitarbeitende je Schicht und 1.150 Roboter fertigen bei einem Automatisierungsgrad von 87 Prozent die Karosseriebauteile für die Q6 e-tron Baureihe. Die hochflexible Plattformanlage ermöglicht darüber hinaus den nahezu nahtlosen Anlauf von zukünftigen Modellen. Um Ressourcen nachhaltig und synergetisch einzusetzen, verwendet Audi im Karosseriebau für die Fertigung der PPE-Karosserien 680 Roboter wieder, die bereits in der Fertigung anderer Audi Modelle zum Einsatz gekommen waren. Für die Q6 e-tron Baureihe nimmt Audi zudem eine Flotte von mehr als 40 fahrerlosen Transportsystemen (FTS) neu in Betrieb. Die FTS übernehmen die Materialbereitstellung in der Halle und versorgen die Anlagen im Karosseriebau automatisiert mit notwendigen Teilen.

Montage der PPE-Modelle in bestehenden Anlagen
In der Montage nutzt Audi konsequent bestehende Strukturen und Anlagen. Die Audi Q6 e-tron Baureihe integrierten die Vier Ringe nahtlos in die bestehende Montagelinie der Modelle Audi A4 und A5. Verbrenner- und Elektromodelle unterschiedlicher Baureihen entstehen so auf einer gemeinsamen Linie. Audi integrierte die PPE-Modelle in die Montage in acht Umbauschritten.

Höherer Automatisierungsgrad in der Lackiererei
Auch die Lackiererei hat die Produktion für die neue vollelektrische Baureihe erweitert. Unter anderem wurde der Trockner nach dem Prozessschritt der KTL-Grundierung (Kathodische Tauchlackierung) verlängert und ein neues integriertes Verfahren zum automatischen Lochverschluss eingeführt. Dabei dichten Applikationsroboter nach der Grundierung rund 70 Löcher mit Klebepads an der zuvor für diesen Schritt vermessenen Karosserie ab. Ein Prozessschritt, der zuvor über Kopf von Mitarbeitenden manuell durchgeführt werden musste. Um den höheren Energieaufwand für die Aushärtung der Karosserien nach der KTL zu gewährleisten, verlängerte Audi den Trockner. Auf diese Weise erreichen alle Karosserieteile die für die Aushärtung der KTL erforderliche Solltemperatur von 160 Grad Celsius. Zudem unterstützt in der Lackiererei in Ingolstadt eine automatisierte Fertigungstechnologie bei der Erkennung, Beurteilung und Abarbeitung von Oberflächenauffälligkeiten. Damit lässt sich die lackierte Oberfläche objektiv prüfen, die Prozesssicherheit erhöhen und das Qualitätsmonitoring transparenter durchführen. Im ersten Schritt scannen Roboter mittels eines automatisierten Messsystems die Fahrzeugoberflächen. Dieses Verfahren bildet die Grundlage für das ebenfalls automatisierte Finish. Dafür ist jeder der Roboter mit einem Schleif- und Poliertool ausgestattet. Bei der anschließenden Kontrolle zeigen große Bildschirme den Mitarbeitenden die behobenen Stellen an.

Flexibles Anlagenkonzept bei der Warmumformung
Im Presswerk in Münchsmünster engagierten sich viele Expert_innen intensiv, um den Prozess der Warmumformung für die PPE aufzuwerten. Durch dieses Verfahren werden vor allem sicherheitsrelevante Bauteile hergestellt. Denn Blechteile für die Karosseriestruktur der Fahrzeuge auf der PPE, wie A- und B-Säulen, sowie Teile des Längsträgers erhalten durch das Warmumformen eine besondere Stabilität und Crashsicherheit. Nach dem Erhitzen in einer speziellen Ofenanlage auf rund 950 Grad Celsius werden Blechstreifen in einer Umformpresse mit zugehörigem Formwerkzeug zum Bauteil ausgeformt. Durch anschließendes lokales Abkühlen der erhitzten Blechstreifen mittels Luftdüsen beeinflusst Audi die Festigkeit der Bauteile gezielt, um das Crashverhalten weiter zu optimieren und gleichzeitig das Gewicht der Karosserie zu reduzieren. Die besondere Härte des Materials macht es erforderlich, dass die Bauteile anschließend mithilfe von speziellen Lasern in die erforderlichen Konturen beschnitten werden.

Neben Bauteilen für Modelle auf Basis der PPE werden künftig auch Bauteile für Modelle auf Basis der Verbrennerplattform PPC (Premium Platform Combustion) auf den Produktionsanlagen hergestellt. Durch die neu erreichte Flexibilität der Anlagen ist es möglich, insgesamt 44 verschiedene Bauteile in Münchsmünster herzustellen. Der Rüstwechsel an den Laserzellen und Umformpressen erfolgt vollautomatisch und in kürzester Zeit, so dass jeden Arbeitstag rund 20.000 Einzelteile das Werk verlassen können.




1Unter bilanzieller CO₂-Neutralität versteht Audi einen Zustand, bei dem nach Ausschöpfung anderer in Betracht kommender Reduktionsmaßnahmen in Bezug auf verursachte CO₂-Emissionen durch die Produkte oder Tätigkeiten von Audi weiterhin vorhandene und/oder im Rahmen der Lieferkette, Herstellung und des Recyclings der Audi Fahrzeuge aktuell nicht vermeidbare CO₂-Emissionen durch freiwillige und weltweit durchgeführte Kompensationsprojekte zumindest mengenmäßig ausgeglichen werden. Während der Nutzungsphase eines Fahrzeugs, das bedeutet ab Übergabe eines Fahrzeugs an Kund_innen, anfallende CO₂- Emissionen werden hierbei nicht berücksichtigt.