Martin Fischer
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Die BMW HP4 RACE

BMW HP4 RACE in Estoril Portugal, mit Martin Fischer
BMW HP4 RACE in Estoril Portugal, mit Martin Fischer
von Dipl.-Inform. Martin Fischer am 25.06.2017

Wie vor zwei Wochen angekündigt ging es auf Einladung von BMW Motorrad nach Estoril in Portugal. Dort sollten wir als die Ersten weltweit in den Genuss kommen, den neuen Edelrenner, die HP4 RACE, auf dem ehemaligen MotoGP-Kurs zu testen. Vom Flughafen Lissabon ging es im neuen 5er BMW in das Ritz Carlton Hotel Penta Longa. Dieses 5-Sterne-Luxus-Hotel liegt zwischen dem Sintra-Cascais Natural Park und dem Circuito Estoril. Der Nationalpark erstreckt sich über 145 m² und ist der westlichste Punkt des europäischen Festlandes. Außerdem bietet er eine wunderschöne Kulisse für den 18-Loch-Golfplatz Atlantico des Hotels. Auch für Nicht-Golfspieler ist der Anblick der grünen Berge und Wälder eine Augenweide.

Leider hatte ich kaum Zeit diesen Ausblick zu genießen, da es direkt nach der Ankunft zum Dinner in das Restaurant il Mercato ging. Und dort stand sie dann endlich, eine echte HP4 RACE zum Anfassen. Fahren ging natürlich noch nicht. Wobei das eigentlich kein Problem gewesen wäre, denn die Maschine hat weder Zündschloss noch irgendeine Sicherung. Im Cockpit ist lediglich ein kleiner Schalter, mit dem die Zündung eingeschaltet wird, und das war es. Auf meine Frage hin, ob man denn mal den Motor starten könnte, um den Sound der Acrapovitc-Carbon/Titan-Komplettanlage zu hören, traute sich der BMW Produkt Manager Josef Mächler vor und drückte den schwarzen Start-Knopf… Ok, es war laut. So laut, dass er dann auch gleich wieder den roten Kill-Knopf drückte. Immerhin hatten wir schon mal einen Eindruck, was uns am nächsten Tag erwartet.

Zum Dinner waren dann alle Kollegen versammelt. Wie sich herausstellte, waren insgesamt nur 20 Journalisten eingeladen, und das weltweit. Es waren Presseleute aus UK, Kanada, den USA, Israel, Holland und Österreich da. Bis auf die beiden Livestyle-Kollegen Craftrad und Ramp allesamt professionelle Motorrad-Journalisten.

Am nächsten Morgen ging es dann um 8 Uhr Ortszeit zum Circuito Estoril. Dort erwarteten uns 20 S 1000 RR (DoppelR) und fünf HP4 RACE. Mit den vergleichsweise günstigen DoppelR sollten wir den Kurs kennenlernen. Die 2017er S 1000 RR stellt die Basis für die HP4 RACE, d.h. Rahmen, Fahrwerk und Motor sind sich sehr ähnlich, sodass man einen guten Eindruck von der Strecke und dem Handling bekommen konnte, um dann den Unterschied zwischen den Maschinen zu spüren. Für mich war das optimal. Ich konnte endlich mal mein Straßenmoped auf der Rennstrecke kennenlernen, ohne Angst zu haben, dass es kaputtgeht.

Da die Kollegen von BMW unsere Fähigkeiten auf der Rennstrecke nicht einschätzen konnten, bekamen wir eine 1:1 Experten-Betreuung. Jürgen Fuchs, ehemaliger MotoGP-Fahrer, und Lucy Glöckner, IDM SBK Fahrerin 2012-2015, standen uns dafür zur Seite. Nach einem kurzen Gespräch mit Onkel Jürgen ging es ab auf die Piste. Ein paar entspannte Runden zum Kennenlernen, und dann waren sogar schon ein paar Wheelies am Kurvenausgang möglich. Die S 1000 RR mit ihren gut 200 PS kann quasi in jeder Lage das Vorderrad in die Luft heben, aber die Wheely-Control war so ein gestellt, dass nur ein leichtes Abheben möglich war. Man konnte also, wenn es sich traute, aus jeder Kurve mit Vollgas heraus beschleunigen. Dabei sollte man immer bedenken, dass die nächste Kurve dann viel schneller kommt und man entsprechend früher und beherzt bremsen muss. Das Einzige, was mir bis jetzt fehlte, war der Sound. Die 2017er DoppelR unterliegt der neuen Euro4 Norm und muss daher deutlich leiser sein als die Modelle vom letzten Jahr. 80 dB statt vorher um die 100 dB, wo soll das nur hinführen☹.

Da zuerst alle Profi-Motorradjournalisten eine HP4 RACE testen sollten und dann die Lifestyler, fuhr ich dann noch ein paar Turns mit der DoppelR, Übung macht den Meister.

Und dann war es endlich soweit, die Gelegenheit, ein 80 T€-Bike auf einer Rennstrecke zu fahren. Die Aufregung oder besser der Respekt hielt sich aber in Grenzen, da die Kollegen von BMW mehrfach betonten, wie leicht die HP4 RACE zu fahren ist. Das ist nicht selbstverständlich, die meisten Bikes in dieser Klasse werden individuell an jeden Fahrer angepasst und benötigen schon einen gewissen Grundspeed, um überhaupt zu funktionieren. Hier sollte die HP neue Maßstäbe setzen, durch eine Vielzahl elektronischer Einstellungen und Sensoren kann sich die HP adaptiv an den Fahrer anpassen. Ab ging es durch die Boxengassen auf die Piste, gleich zu Beginn kommt eine scharfe Rechtskurve, Knie raus, fühlen, wo der Asphalt beginnt, und rausbeschleunigen. Wow! Alles fühlte sich superstabil an, ich hatte sofort ein gute Gefühl. Weiter ging es dann durch eine enge Rechts-Links-Kombination auf die Gegengerade, hier hatte ich mit der DoppelR etwas über 200 km/h erreicht. Bei der HP4 RACE suchte ich jedoch verzweifelt nach einer Geschwindigkeitsanzeige, das riesige Dashboard zeigt zwar diverse Informationen, aber der aktuelle Speed war nicht zu sehen. Na gut, ich hatte eh nur wenige Sekunden Zeit, die nächste Kurve kam recht schnell näher. Überhaupt hat BMW bei der HP4 RACE alles weggelassen, was man beim Fahren nicht unbedingt braucht. Dazu zählt unter anderem der Seitenständer. Es gibt auch keine Möglichkeit, diesen nachzurüsten.

Am Ausgang der langen Linkskurve merkte ich dann, dass die HP in den ersten Gängen nicht die ganze Leistung freigibt. Die Traktionskontrolle arbeitet gangselektiv, sodass man die Leistung für jeden Gang optimal anpassen kann. Mit einer DoppelR was es ein Kinderspiel, das Vorderrad hochzuziehen oder einen schwarzen Streifen über den Asphalt zu ziehen, beides führt natürlich nicht zu besseren Rundenzeiten. Die Traktionskontrolle arbeitet so schnell, dass man die Eingriffe kaum merkt. Die Maschine liegt 1a stabil auf der Strecke. Nach einer Doppel-Rechts-Kurve kam dann die Schikane. Hier merkt man jedes Kilo, das von links nach rechts bewegt werden muss, entsprechend leichtfüßig ging die HP hier durch. Alleine der komplett aus Carbon gefertigte Rahmen spart hier 6 kg Gewicht.

Weiter ging es zur langen Rechtskurve direkt auf Start/Ziel, hier sollte man schon im dritten Gang sein, um möglichst wenig in voller Schräglage schalten zu müssen. Das top Öhlins-Fahrwerk leistet hier ganze Arbeit, souverän und präzise steuert die HP4 RACE aus der Kurve, ohne ein Zucken am Hinterrad. Hier wurde die DoppelR schon mal etwas unruhiger. Auf der etwa einen Kilometer langen Zielgeraden ging es dann bis in den 6. Gang. Jürgen Fuchs stellte hier am Vortag einen Rekord auf, mit GPS gemessene 307 km/h! Sehr beeindruckend, das sind etwa 20 km/h mehr, als er in mit der DoppelR schaffte. Hier zeigen sich dann die 16 PS Mehrleistung. Ich konnte meine Geschwindigkeit leider nur erahnen, aber meine seitlich am Helm angebrachte GoPro zehrte dermaßen an meinem Hals, dass ich kaum noch geradeaus schauen konnte. Gefühlt waren die 300 km/h nicht mehr weit weg, genau wie die scharfe Rechtskurve am Ende der Geraden, hier heißt es von knapp 300 auf 90 km/h runterzubremsen. Also Popo ganz nach hinten schieben, Knie gegen den Tank und den Brembo-Anker werfen. Und dieser ist wahrlich vom Feinsten, die GP4 PR Brembo-Monoblock-Bremse in Kombination mit einer Öhlins Upside-down-Gabel vom Typ FGR 300 – mehr geht nicht. Allein die Öhlins-Gabel kostet 12 T€, dafür bekommt auch ein ganzes Motorrad!

Alles in allem fühlt sich der Turn auf der HP4 RACE nicht wie der sprichwörtliche Ritt auf der Kanonenkugel an, sondern eher wie auf einer Präzisionswaffe, mit der man in 3 km Entfernung eine Redbull-Dose trifft. Die Maschine liegt super ruhig auf der Bahn, sodass der Fahrer immer das Gefühl hat, alles unter Kontrolle zu haben. Einen Vergleich zu meiner zehn Jahre alten Fireblade spare ich mir an dieser Stelle ☺

Zum Ende der Veranstaltung gab es dann noch car2bike. Das bedeutet, ein Fotograf oder Kameramann macht aus dem Auto heraus bei voller Fahrt Bilder von uns. Das klang äußerst vielversprechend, denn statische Bilder kennt man von jeder privaten Rennveranstaltung. Zur Auswahl stand ein Mini Cooper D und ein X3 2.0d, ich stellte mich entsprechend auf eine ruhige Runde hinter einem Diesel ein. Aber der Fahrer hatte es drauf! Schon die Kurve in der Boxengasse nahm er mit quietschenden Reifen, hier sind eigentlich nur 60km/h erlaubt. Weiter ging es dann mit vollem Speed auf die Bahn, der X3 stand quasi in jeder Kurve quer. Frei nach dem Motto: „Fährst du quer, siehst du mehr!“ Und ich versuchte, mit den 80 T€ so dicht wie möglich dran zu bleiben. Das war gar nicht so leicht, irgendwie war das Auto unberechenbar und ungewohnt zugleich. Wer fährt schon in Schräglage mit einem Moped mit zwei Metern Abstand hinter einem Auto her, und das auch noch 4,7 km lang? Ich hatte mich gerade daran gewöhnt hinter dem SUV her zu fahren, da war die Runde auch schon vorbei. Aber egal, das Ergebnis zählt und das sieht, wie ich finde, sehr gut aus!

Leider hatten wir nur einen Tag, um die neue Maschine zu testen. Ich zumindest wurde gerade warm und hätte gerne noch einen Tag weiter trainiert. Denn im Prinzip war ich am Nachmittag schon an meiner physischen Leistungsgrenze angelangt. Motorradrennsport ist eben doch richtiger Sport, wobei auch hier gilt: Mit Kraft kann man technisches Unvermögen eine Zeit lang ausgleichen. Ich hab mir für dieses Jahr noch ein paar Renntrainings vorgenommen, vielleicht sehe ich dann mal eine HP auf freier Strecke.

Am Abend gab es dann noch ein Dinner im Restaurante Arola, direkt auf dem Gelände des Penta Longa. Hier hatte ich noch einmal die Möglichkeiten, den Projektleiter und Vater der DoppelR Rudolf Schneider, Spitzname RR-Rudi, mit Frage zu löchern. Leider waren keine Informationen über neue Projekte aus ihm herauszukitzeln. Wir müssen also erstmal davon ausgehen, dass es bei den 750 Maschinen bleibt. Aber noch sind nicht alle Maschinen verkauft, offizieller Verkaufsstart ist im September 2017. Alle Racer, die mindestens 80 T€ zu viel auf ihrem Konto haben, sollten die Chance nutzen und noch eine der exklusiven Carbon-Maschinen erwerben!

Vielen Dank an BMW für diese wirklich exklusive Einladung!
Fotos Copyright by BMW, Martin Fischer // KlonBlog.com