Martin Fischer
Softwareentwicklung

Klonblog on Tour: Auf zwei Rädern in die Zukunft

Der BMW e-Roadster Prototyp

BMW e-Roadster Prototyp Miramas Martin fischer
BMW e-Roadster Prototyp Miramas Martin fischer
von Dipl.-Inform. Martin Fischer am 09.12.2019

Das Motorradjahr 2019 neigt sich dem Ende zu. Genau die richtige Zeit, um in die Zweirad-Zukunft zu schauen. BMW Motorrad hat uns zu diesem Zweck zu einem ganz exklusiven Event nach Süd-Frankreich eingeladen. Hier sollten wir unter anderem den ersten elektrischen Roadster von BMW testen. Dazu später mehr.

Zunächst durften wir den BMW Testing Ground in Miramas kennenlernen, der eine halbe Stunde nördlich von Marseille liegt. Hier testet BMW alles, was auf zwei oder vier Rädern unterwegs ist. 180 verschiedene Modelle legen hier im Jahr 3 Millionen Test-Kilometer zurück. Egal ob Mini, X7 oder S1000R, alle müssen über diesen Parcours. Das Areal erstreckt sich über 3.000 m² und umfasst neun verschiedene Teststrecken. Es gibt zum Beispiel eine Rennstrecke, Enduro-Tracks, einen Highspeed-Oval und eine kleine Stadt. Der Ort ist jedoch streng geheim. Es gibt keine Schilder und hohe Mauern umzäunen das Areal. Trotzdem fahren die meisten Fahrzeuge getarnt, in Zeiten von Kamera-Drohnen ist man nirgends mehr sicher. Selbst wir, die versammelte Motorrad-Presse aus Deutschland, Österreich und der Schweiz durften keine Kamera mitnehmen und das Handy nur in der BMW-Motorrad-Halle aus der Tasche holen. Alles TOP-Secret!

In dieser Halle, die extra der Motorrad-Sparte vorbehalten ist, standen eine paar eigenartig modifizierte Motorräder. Eine GS 1200 und eine S 1000 RR standen auf komischen Rädern, die aus Alu und Carbon bestanden. Auf dem Tank klebte eine Elektronikbox mit jeder Menge Kabeln. Bei der S 1000 RR war sogar eine Öl-Kühlung für die Elektronik verbaut. Das ließ ahnen, dass hier nicht nur viel Motorleistung, sondern auch viel Rechenleistung am Start ist. Die Kabel aus den Boxen gingen direkt in die Gabel, in die Schwinge und quasi alle beweglichen Teile des Motorrads. Die Felgen waren mit Induktions-Sensoren ausgerüstet und konnten kabellos Messwerte an den Rechner senden.Bei Testfahrten kommen so in wenigen Minuten mehrere Gigabyte an Daten zusammen.

Die Daten werden in der Werkstatt per WLAN an Großrechner übermittelt, die dann vom BMW Bigdata Team verarbeitet werden. Wie ich erfahren habe, werden aber nicht nur Daten der Messfahrzeuge übermittelt, sondern auch von verkauften Fahrzeugen. Alle Modelle seit ca. 2010 sammeln Daten über das Fahrverhalten und übertragen diese bei einem Werkstattbesuch an BMW. Wie mir der Kollege vom Bigdata Team aber versicherte, werden die Daten anonymisiert, und es werden auch keine Events mit Ort und Datum gespeichert, sondern nur Statistiken. Zum Beispiel, wie oft man Vollgas gibt. Was interessanterweise nicht so oft vorkommt, im Schnitt macht das nur ca. 3 % der Fahrzeit aus. Die S 1000 RR sticht hier mit 7 % etwas heraus, was vermutlich dem häufigen Rennstreckeneinsatz geschuldet ist.

Software und digitale Instrumente gibt es mittlerweile in fast allen BMW-Modellen. Das Handy per Blue Tooth mit dem Motorrad zu verbinden und darüber zu navigieren, ist schon fast normal. BMW setzt aber noch einen drauf und arbeitet an einem HeadUp-Display für Motorradfahrer. Ohne Frontscheibe ist das aber gar nicht so einfach. Direkt ins Visier geht es nicht, da die Scheibe zu gerade steht. Ich testete einen Prototypen, der das Bild in eine Brille mit eigenartig schief stehenden Gläsern projizierte. In der aktuellen Ausbaustufe sieht das im wahrsten Sinne noch etwas schräg aus und muss genau auf das Auge ausgerichtet werden. Hier gibt es also noch etwas Entwicklungsbedarf. Die Software hingegen ist schon fertig und überträgt von der Tacho-Display-Einheit alle wichtigen Informationen, wie zum Beispiel Geschwindigkeit und Navigations-Anweisungen in Echtzeit auf die Scheibe. Das ist für die Motorrad-Navigation ein deutlicher Fortschritt. Nach unten auf ein Display zu schauen kostet mehrere Sekunden, die im schlimmsten Fall ein Unfall verursachen können.
Ein weiteres Highlight, das kurz vor der Serienreife steht, ist ACC. Auf Grund neuer besserer Radarsensoren und leistungsfähiger Rechner ist es endlich möglich, einen Abstands-Tempomat für Motorräder anzubieten. Dieser funktioniert dann natürlich auch in Schräglage und auf kurvigen Landstraßen. Ein Feature, das nicht nur für die Anfahrt in die Alpen mehr Komfort bietet. Zukünftig besteht damit auch die Möglichkeit, eine Kollision-Erkennung zu entwickeln und ggf. automatische Fahrmanöver einzuleiten. Das würde die Sicherheit des Motorradfahrens allgemein erhöhen.
Aber wir dürfen in 2020 nicht nur mit Hightech und Elektronik rechnen. Die Entwicklung des BMW-R18-Motors ist endlich fertig. Mit satten 1.8 Litern Hubraum und unglaublichen 158NM Drehmoment will der dickste Boxer, den BMW je gebaut hat, den Harley-Davidsons und Suzuki Intrudern richtig einheizen. Der Motor allein wiegt über 100 kg und ist ultrabreit. Die zwei Zylinder, die so groß sind wie Maßbierkrüge, werden die Maschine sicher ordentlich durchschütteln. Ich bin gespannt, wann ein Motorrad mit dem Big-Boxer fertig ist und ich das erste Mal in meinem Leben einen Chopper fahren kann!

Aber heute war ein ganz anderes Motorrad dran, die erste Version des BMW e-roadster. Dieser noch sehr frühe Prototyp zeigt, wo die Reise hingehen kann, und das ziemlich zügig! Mit 100 kW (136 PS) und 190Nm Drehmoment lässt der e-roadster quasi alles stehen, was auf öffentlichen Straßen fährt. Ohne zu Kuppeln, direkt aus dem Stand, ballert das E-Bike in unter 3 Sekunden auf 100 km/h. Die S 1000 R mit ihren 170 PS hatte nicht den Ansatz einer Chance. Und das beim ersten Versuch. Jeder, der schonmal die ¼ Meile mit einem Motorrad gefahren ist, weiß, wie schwer es ist, sauber vom Start wegzukommen.

Mit dem e-Roadster kann das jeder, der sich traut, einfach nur rechts am Griff zu drehen und dann gut festhalten! Von der Optik des Prototypen sollte man sich nicht verschrecken lassen. Die Front, samt Gabel, stammt von der S 1000 R, die Schwinge von einer R 1250 R. Aber alles, was dazwischen sitzt, ist neu und steht unter Hochspannung mit 400V. Der Akku liefert ca. 20 kWh und lässt sich an normalen PKW-Ladesäulen in weniger als 30 Minuten auf 80 % aufladen. Der luftgekühlte Akku erwies sich im Test als äußerst robust, nach ca. zehn ¼ Meile-Starts hintereinander lieferte der Akku immer noch die volle Leistung. Das kann nicht jeder Tesla von sich behaupten.

Wann BMW ein echtes E-Bike auf den Markt bringt, steht jedoch noch in den Sternen. Zurzeit ist in der Motorrad-Gemeinde noch kein wirkliches Interesse zu erkennen. Das kann sich aber schnell ändern, wenn weitere Streckensperrungen kommen oder der Verbrennungsmotor irgendwann ganz verboten wird. Ich hoffe, das BMW bis dahin noch viele neue Kolben-Motoren auf den Markt bringt. Motorradfahren ohne Sound kann ich mir (noch) nicht vorstellen!

Vielen Dank an BMW Motorrad für diesen sehr exklusiven Einblick in die Motorrad-Zukunft!
ANZEIGE: Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung durch BMW Motorrad