Martin Fischer
Softwareentwicklung

Klonblog on Tour: Legendäre Straßen – Teil 2

Porsche 911 Carrera 4S

Porsche 911 Carrera 4S  Col de l’Iseran
Porsche 911 Carrera 4S Col de l’Iseran
von Dipl.-Inform. Martin Fischer am 18.05.2018

Mein kleiner blauer Elfer ist mir im ersten Teil der Tour schon richtig ans Herz gewachsen. Einige Abenteuer standen uns aber noch bevor. Nachdem wir an diesem Tag schon die Ski-Pisten von Tignes unsicher gemacht hatten, sollte am Nachmittag wieder der 911er zeigen, wie sportlich er die Berge nehmen kann. Vom La Grande Motte, dem höchsten Punkt des Skigebietes, konnte man bis zum Col de l’Iseran schauen, der von Val d’Isère aus mitten durch das Skigebiet geht.

Der Col de l’Iseran verbindet das Iseretal mit dem Arc-Tal und bildet einen Teil der „Route des Grandes Alpes“. Er stand schon sieben Mal im Programm der Tour de France, zuletzt 2007. Die eigentliche Passstraße geht von Val-d’Isère im Norden nach Bonneval-sur-Arc im Süden, wobei der untere Teil von Seez bis Val-d’Isère auch schon Passstraßen-Charakter besitzt. Der Col ist mit seinen 2770 m nicht nur der höchste, sondern auch einer der längsten Pässe der Alpen. Die Passstraße ist nur im Sommer befahrbar, da sie im Winter Teil der Skipiste ist. Es war bei Antritt meiner Reise nicht ganz sicher, ob der Pass überhaupt befahrbar ist.

Als ich in den Ort einfuhr, traute ich meinen Augen nicht. Der ganze Ort war voller Porsche, größtenteils Elfer. Die Leute am Straßenrand winkten mir zu, als ob ich bei einer Rallye gewonnen hätte. Dass man auf der Straße mehr Porsche 911er sieht als andere Supersportwagen, ist nicht so verwunderlich. Porsche verkauft jedes Jahr mehr 911er als alle anderen Sportwagenhersteller zusammen, ca. 30.000 Stück. Ferrari und Lamborghini kommen auf je 8000 Stück, McLaren auf 3500 und alle anderen liegen weit darunter. Aber so viele 911er auf einen Fleck? Es musste sich um eine Porsche-Veranstaltung handeln. Ich fuhr bis zum Ortsausgang und stoppte vor dem Passzeichen, um meine Gopros zu montieren. Währenddessen fuhr ein Porsche nach dem anderen an mir vorbei, man wurde gar nicht fertig mit Winken. Ich ließ mir aber extra Zeit um zu schauen, was da alles kommt und ging davon aus, dass ich sowieso alle oben auf dem Pass wiedersehe.

Als ich dann endlich fertig war, war die Straße leer, kein Porsche vor oder hinter mir zu sehen. Nach ein paar Kehren standen aber plötzlich drei Elfer am Straßenrand und ich entschied, anzuhalten. Die Porschefahrer, allesamt etwas ältere Herren, waren wie zu erwarten sehr freundlich und erklärten mir, dass der Stuttgarter Porsche Club eine Ausfahrt macht. Diese geht insgesamt über fünf Tage und führt, wen wundert es, hauptsächlich über Passstraßen. Als die Wagen weiterfuhren, hängte ich mich dran in der Hoffnung, ein paar schöne Videos hinter ihnen machen zu können. Trotz meiner zehn Jahre Erfahrung im Passstraßenfahren war das alles andere als einfach. Mit einem 160.000 €-Auto ist das eine andere Hausnummer als mit dem eigenen Motorrad. Mein blauer Flitzer musste sich ordentlich bemühen, dranzubleiben, und es kam schonmal vor, dass der Wagen beim Beschleunigen aus den Spitzkehren über alle vier Räder rutschte. Kein Wunder, wenn man mit 420 PS und 500 mn den ersten Gang bis zum roten Bereich ausreizt. Durch diese schier unbändige Kraft und den doch recht groben Untergrund war es unvermeidbar, dass die Räder kurzzeitig die Bodenhaftung verloren. Irgendwie gelang es mir, bis zum Pass dicht dranzubleiben, sodass wir zusammen oben ankamen. Als die Fahrer ausstiegen und wohlwollend den Daumen hoben, war das wie ein Ritterschlag. Sie waren mit Sicherheit viel erfahrener als ich und vermutlich mit ihrem eigenen Auto unterwegs.

Ich fuhr dann noch ein Stück weiter und suchte mir einen schönen Platz zum Fotografieren mit guter Sicht auf die Straße. Nach ein paar Minuten sah und hörte ich die beiden Boliden in ca. einem Kilometer Entfernung die Passstraße wieder hinunterfahren. Noch schnell ein Foto und ab ging die Post. Die beiden kamen wieder mit Top-Speed an mir vorbeigebrettert. Aufholen konnte ich nicht, die beiden vorn fuhren quasi genau so schnell wie ich und ich war schon an meinem Wohlfühllimit. Mehr musste nicht sein, bergab fahren ist doch immer noch ein bisschen gefährlicher. Als dann noch beim Anbremsen in einer Kurve das ABS eingreifen musste, wusste ich, es reicht. Wobei, vielleicht war es auch das PTV (Porsche Torque Vectoring). Dieses System gehört zum Serienumfang der S-Modelle und greift aktiv ein. Es bremst das kurveninnere Hinterrad ab, dadurch besitzt das kurvenäußere Hinterrad eine höhere Antriebskraft und ermöglicht so einen zusätzlichen Drehimpuls in die eingeschlagene Richtung. Das Ergebnis ist ein direktes und dynamisches Einlenken in die Kurve.

Durch mein intensives Studium der Anleitung hatte ich noch ein paar interessante Features unseres Sportwagens herausgefunden, auf die ich sonst nie gekommen wäre. Zum einen kann man die Rücksitze umklappen. Dadurch gewinnt man zwar nicht wirklich mehr Kofferraum, aber man schont die schönen Ledersitze und bekommt eine ebene Ladefläche mit etwa 260 l Stauraum. Interessant ist auch die Auskuppel-Funktion (Paddle-Neutral), die man ganz einfach aktivieren kann, indem man beide Schalt-Paddel gleichzeitig drückt. Das hat den gleichen Effekt, wie wenn man die Kupplung tritt, was bei einem Automatik- oder Doppelkupplungsgetriebe normalerweise nicht geht. Mit dieser Funktion ist es beispielsweise möglich, bei nasser Fahrbahn die Antriebsräder zu entlasten, falls diese die Bodenhaftung verlieren. Möchte man das Auto hingegen querstellen, kann man einfach bei scharfem Einlenken die „Kupplung“ springen lassen. Beides war für mich an diesem Tag nicht praktikabel, aber ich fand aber noch einen dritten Einsatzzweck. Beim Durchfahren eines Tunnels konnte ich durch Treten der „Kupplung“ und kurzen Gas-Stößen mit Hilfe des Sportauspuffs den Tunnel erzittern lassen. Einem hinter mir fahrenden Motorradfahrer hat es so gut gefallen, dass er mir dafür einen Daumen hoch gab!

Für den Heimreise-Tag hatte ich eine Strecke zusammengestellt, die es in sich hatte. Drei Große Pässe mit der Option auf einen vierten, den Klausenpass. Das Wetter war wie angesagt, ab 9 Uhr ballerte die Sonne in unsere Stube auf 2100 m. Also schnell ab auf die Piste, also auf die Straße. Zum Warmwerden diente der Kleine Sankt Bernhard Pass. Die französische Seite von Seez aus kannten wir ja schon, daher lies ich meinen Assistenten ans Steuer. Ich gab ihm die Anweisung, sehr sensibel mit dem Gasfuß umzugehen. Und siehe da, nach jeder Kurve ging es etwas zügiger voran, ohne dass ich nervös wurde. Der 911er ist zwar ein Supersportwagen, aber im Gegensatz zu einem Lamborghini auch durch einen Laien zu beherrschen.

Heute ging es dann weiter bis ins Aosta-Tal. Und ich traute meinen Augen kaum, die komplette italienische Seite war mit einer 1a Asphaltdecke überzogen. Hätte ich das früher gewusst, wäre ich hier schon ein paar Mal hoch und runter gefahren. Irgendwie erinnerte mich die Straße an den Col di Castion in der Nähe vom Gardasee, den ich letztes Jahr mit dem Porsche 718 gefahren bin. Wunderschöne enge Kurven und super glatter Asphalt. Davon können sich die Franzosen gerne ein Stück abschneiden.

Weiter ging es durch das Aosta-Tal Richtung großer Sankt Bernhard Pass. Dieser Pass verbindet das Aosta-Tal mit dem Schweizer Rhonetal und geht bis auf 2469 m hinauf. Hier sollen schon vor über dreitausend Jahren Menschen über die Alpen gewandert sein und auch zu Zeiten von Julius Cäsar wurde dieser Pass namentlich erwähnt. Um 1050 wurde auf der Passhöhe von Bernhard von Aosta das Hospiz auf dem Großen St. Bernhard gegründet, das auch dem Pass seinen heutigen Namen gab. Was ich ebenfalls nicht wusste: Hier wurde die gleichnamige Hunderasse, die Bernhardiner, gezüchtet und als Rettungshunde für die Suche nach Lawinen-Opfern ausgebildet. Bernhardiner Barry, der über 40 Menschen das Leben gerettet haben soll, ist weltweit bekannt.

1905 wurde der Pass eine befahrbare Straße, so dass wir heute relativ entspannt mit unserem Sportwagen die Schönheit der Natur genießen können. Leider vermieste uns ein Reisebus den Aufstieg. Dieser zog eine kleine Kolonne von PKWs hinter sich her, wir mitten drin, es war kein Vorbeikommen möglich. Ich frage mich immer, warum man überhaupt mit einem Reisebus Alpenpässe befahren muss. Pässe haben heutzutage keine Bedeutung mehr als Transportwege, dafür gibt es Tunnel und Autobahnen. Die Busse bleiben dann an jeder zweiten Spitzkehre hängen und müssen zurücksetzten. Das ist für alle Verkehrsteilnehmer mehr als nervig, für Motorradfahrer besteht beim Anhalten in solchen Stellen sogar Sturzgefahr. Als der Bus an dem letzten Parkplatz vor dem Gipfel vorbeifuhr, war meine Nerven am Siedepunkt! Dieser liegt bekanntlich in großen Höhen etwas niedriger. Ich fuhr links neben den Bus und gab ihm per Hupe zu verstehen, dass wir (die PKWs) nicht den ganzen Pass hinter ihm herfahren wollten. Wiedererwarten respektierte der Busfahrer dieses und lies uns vorbeiziehen. Vielleicht lag es unserem schicken blauen Sportwagen, der in der Sonne strahlte, ich weiß nicht. So konnten wir wenigstens die letzten Meter dieses schönen Passes genießen.

Der letzte Pass des Tages war dann der Furkapass. Ich hatte zwar noch auf den Klausen-Pass spekuliert, aber die Sonne stand schon sehr tief, sodass es nicht mehr möglich war, diesen im Hellen zu erreichen. Der Furkapass geht bis auf 2429 m in die Höhe und verbindet das Urserental, in dem der bekannte Skiort Andermatt liegt, mit dem Kanton Wallis. Auf ihm verläuft die Europäische Wasserscheide zwischen Mittelmeer und Nordsee. Der Name stammt vom lateinischen furca, also Gabel. Es lag also nahe, dass der Pass sich irgendwo gabelt. Auch dieser Pass wurde schon zur Römerzeit begangen. Im 19. Jahrhundert wurde dann die fast 40 Kilometer lange Straße mit einer Breite von mindestens 4,20 m gebaut. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Furka-Eisenbahn gebaut, mit der man bis heute durch einen Tunnel zur anderen Seite gelangt. Wenn also im Winter der Pass geschlossen ist, kann man mit seinem PKW auf den Zug „springen“ und zur anderen Seite gelangen. 1964, dem Geburtsjahr des 911er, wurden dort einige Szenen des James-Bond-Films Goldfinger mit Sean Connery gedreht. Dort fährt er mit seinem Aston Martin relativ sportlich mit quietschenden Reifen an einem Ford Mustang vorbei. Der damals nagelneue Elfer hätte ihm sicher auch gut gestanden.

Kurz vor Ende des Passes fuhr plötzlich ein schneeweißer Rolls Royce Phantom vor uns her. Wer weiß, vielleicht saß Sir Connery drin. Dieses Auto ist einfach riesig, vor allem aus der extrem tiefen Sitzposition unseres Sportwagens. Ich traute mich nicht ihn zu überholen. Ich hatte mit der untergehenden Sonne zu kämpfen, der Tag neigte sich dem Ende. Und damit leider auch unsere Reise mit dem Porsche.

Wie steht es auf der Porsche Webseite geschrieben: „Es geht um alles. Um einen unverrückbaren Maßstab. Um einen Sportwagen, den es in dieser Form nur ein einziges Mal gibt. Der seit Generationen fasziniert. Und dem unser Herzblut gehört.“ – Meins jetzt auch! Mir hat die Woche unheimlich viel Spaß gemacht. Vielen Dank an die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG für das zur Verfügung stellen des 911 Carrera 4S!