Martin Fischer
Softwareentwicklung

Klonblog on Tour: Legendären Straßen

Porsche 911 Carrera 4S

Porsche 911 Carrera 4S, Großer Sankt Bernhard Pass
Porsche 911 Carrera 4S, Großer Sankt Bernhard Pass
von Dipl.-Inform. Martin Fischer am 06.10.2017

Ziemlich genau ein Jahr ist es jetzt her, dass wir den Porsche 718 Boxster fahren durften, Zeit also für die nächste Stufe, den 911! Erfahrt in den zwei Teilen dieses Berichtes, welche Strecken auf dem Weg in Schweiz so richtig Spaß machen, wie ich zufällig den Präsidenten des Porsche Clubs getroffen habe und warum ein Peugeot wirklich niemals einen Porsche überholen sollte.

Der Porsche 911 oder auch einfach nur Elfer genannt, ist für die meisten der einzig richtige Porsche und gilt als Inbegriff der Marke. Der 2+2-Sitzer wurde 1963 auf der IAA das erste Mal dem Publikum vorgestellt und ging 1964 in Serienproduktion. Das Konstruktionsprinzip mit luftgekühltem Heckmotor geht auf den legendären Käfer zurück und bildet bis heute die Grundlage fast jeden Elfers. Der erste Elfer hatte einen 2-Liter-6-Zylinder-Boxermotor mit „nur“ 130 PS. Klingt nicht viel, aber damals waren das noch Supersportwagenwerte für straßenzugelassene Autos. 1989 kam die erste Allrad-Version auf den Markt, der Carrera 4. Heute gibt es über 20 verschiede Versionen des Elfers, und alle paar Monate kommt ein neues Sondermodell dazu, wie z.B. aktuell der 911 Turbo S Exclusive Series in Gold mit 607 PS oder der 911 GT2 RS mit satten 700 PS. Beide kosten knappe 300.000 €. Diese Sondermodelle sind meist vor Produktionsstart ausverkauft und werden dann auf dem freien Markt für einen deutlich höheren Preis gehandelt. Im Prinzip ist aber jeder Elfer eine Wertanlage, es gibt nur wenige Modell, die über die Zeit an Wert verloren haben.

Die aktuelle Modellreihe hat Modellnummer 991 und ist die insgesamt siebte Generation. Diese wird seit 2011 gebaut und erfuhr 2015 ein Facelift, intern als 991.2 bezeichnet. Die Motoren reichen vom 3-Liter mit 370 PS bis zum 4-Liter mit 700 PS und sind bis auf den GT3 alle Turbo-aufgeladen. Unser 4S liegt mit seinem 3-Liter-Motor und 420 PS eher am Anfang der Skala. Trotzdem lesen sich die inneren Werte unseres Testexemplars beeindruckend! Der Kollege von Porsche war nicht zögerlich beim Anhaken der Sonderausstattung. So finden wir fast alle Fahrwerks- und Assistenzsysteme in unserem Carrera 4S. Der Innenraum war komplett beledert und die 18-Wege-Sportsitze mit Luftpolstern lassen keine Wünsche offen. Der Grundpreis von 132.000 € für den Carrera 4S steigt so auf etwa 165.000 €. Aber es geht natürlich noch deutlich mehr, selbst 200.000 € wären im 4S kein Problem, da man bei Porsche quasi alles individualisieren kann.

Laut der Website von Porsche soll unser Cabrio „für gepflegtes Cruisen auf der Küstenstraße, aber auch für die sportliche Kurvenjagd im Gebirge“ bestens geeignet sein, das Letztere wollten wir genauer testen!

An einem Freitag ging es dann nach Stuttgart Zuffenhausen ins Porsche Werk 1. Keine 10 Minuten und eine Unterschrift später saß ich in „meinem“ Porsche. Auf den ersten Blick kam mir alles recht vertraut vor, das Cockpit ähnelt dem 718 und auch die Bedienung ist quasi identisch. Den ersten Härtetest bestand der Elfer tadellos, mein Koffer passte in den Kofferraum! Da der Kofferraum der Allrad-Version etwa 20 Liter weniger Volumen hat und im es Boxster letztes Jahr auch sehr eng war, war ich mir nicht sicher, ob der Platz reichen würde. Es war wieder eng und, zugegeben, der Koffer passte auf den Zentimeter genau, aber wie sagt man so schön: „Passt, reicht!“.

Der grundlegende Unterschied zum 718 ist der Motor, bzw. dessen Position. Der Elfer-Motor hat 6 statt 4 Zylinder und ist hinter der Hinterachse montiert, das Getriebe liegt vor der Hinterachse. Der Elfer ist also kein Mittelmotor-Sportwagen wie der 718. Das ist für Fahrverhalten und Aerodynamik nicht ganz optimal, aber man gewinnt zwei Sitzplätze. Ich war gespannt, ob man den Unterschied im Fahrverhalten zum 718 bemerkt.

Porsche testet im Rennsport übrigens gerade den 911 RSR mit einem Mittelmotor-Konzept. Dort wurde die Lage von Motor und Getriebe getauscht. Dadurch wird eine bessere Gewichtsverteilung erreicht und der Heckdiffusor kann optimaler gestaltet werden, da das Getriebe weniger Platz benötigt als der Motor.

Als Tagesziel für den ersten Tag hatte ich den Bodensee auserkoren. Dieser liegt strategisch günstig auf dem Weg in die Alpen und bietet eine wunderschöne Natur und tolle Straßen. Das Wetter spielte auch mit, es war 20 Grad warm und die Sonne schien, also Dach auf und ab auf die Landstraße. Kurven gab es hier leider noch nicht so viele, aber zum Warmwerden mit dem neuen Auto war es optimal. Und unser Testwagen war wirklich sehr neu, es standen nur knappe 4.000 km auf der Uhr. Laut Handbuch soll der Sportwagen 3.000 km eingefahren werden. Das Thema konnte ich also glücklicherweise abhaken und gleich die volle Leistung abrufen. Bei den ersten Überholmanövern merkte man, dass auch der 6-Zylinder ähnlich wie der Boxster drehzahlhungrig ist. Der rote Bereich geht bei 7.500 u/min los. Unter 3000 u/min fühlt er sich noch etwas zäh an. Aber hat er erstmal diese Marke überwunden, geht das Feuerwerk richtig los. Bis zum roten Bereich steigt die Beschleunigung quasi linear, und der Allradantrieb hält den Wagen dabei immer sicher in der Spur. Kein Zucken der Hinterachse, keine quietschenden Reifen, dafür ein super schöner runder 6-Zylinder-Sound. Den hatte ich im Boxster vermisst.

Am Hotel angekommen, wurde ich direkt von den ersten beiden Passanten angesprochen, ein Ehepaar um die 60, was ich für ein schönes Auto habe. Steht ja nicht dran, das es gar nicht meins ist. Wie sich herausstellte, waren sie selbst Porschefahrer. So konnten wir gleich ein bisschen über die Neuen schnacken. Und von wegen, Porschefahrer sind eitel und elitär, ganz im Gegenteil. Alle Porschefahrer, die ich unterwegs traf, waren nett und gesprächig, zumindest unter sich. Genauso obligatorisch ist das Grüßen auf der Landstraße. Ähnlich wie beim Motorradfahren hebt man die linke Hand und signalisiert, ich hab dich gesehen und passe auf dich auf.

Am nächsten Morgen ging es dann weiter durch die Schweiz. Ich schaute bei GoogleMaps nach schönen Straßen und wurde in der Nähe von Altstetten fündig. Dort gab es die ersten kleinen Serpentinen, also endlich mal die Möglichkeit, das Fahrverhalten des Elfers zu testen. Ich befürchtete ja immer noch, in einer Heckschleuder zu sitzen. Aber weit gefehlt, durch den Allrad-Antrieb unseres Testwagens zog er aus den Spitzkehren wie auf Schienen. Ich fühlte mich relativ schnell sicher. Ich vermisste jedoch etwas Drehmoment im unteren Drehzahlbereich, mein 3-Liter-TDI drückt hier deutlich mehr. Nach ein paar Kehren war der Minipass auch schon wieder vorbei, weiter ging es durch die Schweiz in Richtung Basel. Dort wollte ich am Abend meinen Freund Stefan einladen und mit ihm ins Zielgebiet nach Tignes zu fahren. Er arbeitet dort als Skilehrer und hat einen kleinen Laden, der professionell Ski präpariert. Tignes war als Basis optimal geeignet, da es quasi mitten im Herzen der Alpen auf 2.100 m nahe dem Mont Blanc liegt. Keine 20 km von den legendären Alpenpässen Col d’iseran und dem kleinen Sankt Bernard entfernt.

Da ich überpünktlich in Basel ankam, hatte ich noch etwas Zeit, die Gegend unsicher zu machen. Ich fragte ein paar Motorradfahrer, wo man hier schöne Straßen findet. Die Empfehlung war der Gempen. Hier lernen wohl Motorradfahrer aus der Gegend das Kurvenfahren. Das klang vielversprechend, auch wenn die Höhe von etwa 700 m nicht vergleichbar ist mit dem, was uns im Zielgebiet erwartete. Aber gut, ich wollte mich auch langsam an das Auto gewöhnen und mich Schritt für Schritt an die Leistungsgrenze rantasten. Dafür waren die 8 Spitzkehren schon gut geeignet, wobei am Wochenende entsprechend viel Verkehr war. Trotz allem schaffte ich es, den Verbrauch kontinuierlich über der 16-Liter-Marke zu halten, für mein Gefühl ziemlich viel. Der Boxster mit seinem 2-Liter-Motor lag eher bei 12 Litern auf 100 km, bei sehr sportlicher Fahrweise, wohlgemerkt!

Am Abend ging es dann über die Schweizer Autobahn weiter Richtung Süden. Meine Hoffnung war, dass der Verbrauch bei den erlaubten 120 km/h schnell unter die 10-Liter-Marke fallen würde. Dem war leider nicht so, wir näherten uns zwar dieser Marke an, aber in sehr kleinen Schritten. Positiv ins sprichwörtliche Auge fiel das adaptive Kurvenlicht in Kombination mit dem Fernlicht-Assistenten, bei Porsche „Porsche Dynamic Light System“ (PDLS) genannt. Dadurch schwenken die Voll-LED-Hauptscheinwerfer abhängig vom Lenkwinkel und der Geschwindigkeit in die Richtung, in die das Auto gerade einlenkt. Dadurch ist das Licht immer einen Moment eher da, und das sieht schon ziemlich cool aus. Außerdem kann man quasi immer das Fernlicht an lassen, da das Auto Gegenverkehr und Ortschaften erkennt und dann die Scheinwerfer runternimmt. Es sah also alles nach einer entspannten Fahrt aus. Bis plötzlich ein Peugeot im Rückspiegel auftauchte. Er fuhr ein paar Meter hinter uns und bestaunte vermutlich die Licht-Silhouette unseres Autos, denn alle Allrad-Modelle tragen als Erkennungszeichen ein durchgehendes schmales Heckleuchtenband, was ziemlich cool aussieht. Dann scherte er zum Überholen nach links aus. Eigentlich steht es einem Peugeot natürlich nicht zu, einen Porsche zu überholen, aber Frankreich war nicht weit und die Schweizer Polizei kann mittlerweile auch Autos beschlagnahmen, also ließ ich ihm die Freude. Kaum war er aus meinem Rückspiegel verschwunden, gab es einen Knall. Wir dachten erst, er hätte uns gerammt, aber es war nichts zu spüren. Er ist links in die Leitplanke gefahren. Ich bekam trotzdem einen kleinen Adrenalinstoß. Das wäre es gewesen, schon auf dem Hinweg das Auto zu schrotten. Glücklicherweise ist dem Peugeot-Fahrer nichts weiter passiert. Um ca. 3 Uhr in der Nacht sind wir schlussendlich in Tignes eingetroffen.

Den nächsten Tag haben wir dann etwas verschlafen, aber wettertechnisch haben wir nichts verpasst. Es war grau in grau, keine Sonne zu sehen, aber auch kein Regen. Also plante ich eine kleine Ausfahrt über den kleinen Sankt-Bernhard-Pass (französisch Col du Petit Saint-Bernard; italienisch Colle del Piccolo San Bernardo). Dieser 2.188 m hohe Pass verbindet das Iseretal in Frankreich mit dem Aostatal in Italien. Er beginnt in dem französischen Ort Seez und geht nach La Thuile in Italien. Erbaut wurde die Passstraße in der heutigen Form von Napoleon III. im 19 Jahrhundert. Als Namensgeber diente der christliche Heilige Bernhard von Menthon, dieser lebte vor ca. tausend Jahren und soll das dortige Hospiz gegründet haben, vom dem leider nur noch Ruinen übrig sind. Auf der französischen Seite der Passstraße hat man das Gefühl, dass diese noch aus Napoleons Zeiten stammt. Der grau-rote Asphalt ist von langen Längsrissen durchzogen, die zum Teil mit Teer gefüllt wurden, was bei Motorrädern schon mal zu unschönen ruckartigen Bewegungen führen kann. Glücklicherweise hat unser Porsche aber fette 305er Hinterreifen, sodass man von diesen Rissen nichts spürte. Was man dagegen relativ deutlich spürte, waren Bodenwellen und Unebenheiten. Genau dafür hatte unser Testwagen „Porsche Dynamic Chassis Control“ (PDCC) mit an Bord. Dieses System ist genau für solche Straßenverhältnisse optimiert. Über eine elektronisch gesteuerte Hydraulik wird das Fahrzeug zusätzlich stabilisiert, sodass der Kontakt zur Straße erhalten bleibt. Einziger Nachteil: es fühlt sich super hart an.

Am Mittwochvormittag war erstmal Skifahren angesagt. Ich sah aus dem Fenster, wie die Sonne auf den 3.656 m hohen La Grande Motte schien und, man mag es kaum glauben, es lag Schnee auf den Pisten. Auch wenn der Gletscher immer kleiner und in wenigen Jahren wohl ganz verschwunden sein wird. Das Skigebiet Val d’Isère – Tignes ist das älteste und eines der höchsten Skigebiete der Savoyer Alpen. Früher bekannt als Espace Killy, benannt nach Jean Claude Killy, dem dreifachen Abfahrtslauf-Olympiasieger von Grenoble im Jahre 1968, trainieren hier aktuell viele Nationalteams, da es im Oktober nur wenige Skigebiete mit ausreichend Schnee gibt. Ich glaube, neben mir war nur noch ein anderer Hobbyskifahrer dort. Leider ließ die Schneequalität ab mittags deutlich nach, kein Wunder bei der Sonneneinstrahlung. Es drängte sich also auf, noch eine Runde mit dem Porsche zu fahren.

Wie ich auf dieser Tour plötzlich ungewollt Mitglied einer Porsche-Club-Ausfahrt wurde, den Club-Präsidenten kennenlernte und warum Ziegen auf der Straße auch mal ganz praktisch sein können, erfahrt ihr im zweiten Teil dieses Berichts!

Vielen Dank an Porsche für das wunderbare Testfahrzeug.